Persönlichkeit
Persönlichkeitsmanagement oder Persönlichkeitsentwicklung
Lasse ich die Definitionen oder Beschreibungen von Persönlichkeit, Management oder Persönlichkeitsmanagement auf mich wirken, kann ich mir darunter alles oder nichts vorstellen. Diese Freiheitsgrade sind mir gar nicht unsympathisch, kann ich doch viele allgemeine Gedanken damit verknüpfen. Sie scheinen mir für eine globale Diskussion durchaus angemessen. Um hier mit den Begriffen Persönlichkeit, Management oder Persönlichkeitsmanagement umgehen zu können erscheint es mir notwendig sie weiter zu detaillieren. Mit meiner Detaillierung erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Allgemeingültigkeit. Sie ist meine individuelle Sichtweise.
Wenn Management planvoll steuern und rational auf ein Ziel hinführen bedeutet, sind für mich die zentralen Begriffe Veränderung und Ziel. Aus systemtheoretischer Sicht muß ein Ziel als Meßgröße für Erfolg immer außerhalb des Systems liegen, das ich verändere. Zum Beispiel kann ich die Fertigungskosten auch dadurch auf ein absolutes Minimum bringen, dass ich die Fertigung auflöse. Solche unsinnigen Lösungsmöglichkeiten sind ein Kennzeichen von falsch gewählten Maßstäben. Für mich ist das Ziel bezüglich Persönlichkeit, ein Höchstmaß an Realitätsbezug beim Leben persönlicher Fähigkeiten, bezüglich wahrnehmen und handeln, zu erreichen. Diese Zielformulierung geht davon aus, dass alle für den Realitätsbezug notwendigen Fähigkeiten im Grunde vorhanden sind. Dysfunktionalitäten, unter denen ich, das Individuum oder das Umfeld leiden signalisieren Veränderungsbedarf, entweder die Leidensfähigkeit zu entwickeln oder die Ursachen des Leidens aufzulösen. Veränderungen lassen sich in zwei grundlegende Klassen unterteilen, translatorische oder tranformatorische Veränderungen.
Translatorische Veränderungen bedeuten den Ausbau, die Detaillierung von Fähigkeiten. Wir lernen sprechen und bilden uns in Rhetorik weiter, wir lernen das Einmaleins und lernen höhere Mathematik, wir installieren Telefonsysteme, Mailsysteme, Datenbanken. Auf der persönlichen Ebene reden wir von Skills. Die Führungskraft trainiert Mitarbeitergespräche, lernt Personalführung, die Mitarbeiter lernen den Umgang mit Maschinen, Rechnersystemen. Dies alles liefert einen Beitrag zur Lebensfähigkeit des Einzelnen und des Systems und vollzieht sich innerhalb von festen Paradigmen wie: logische Entscheidungen sind richtig, Planbarkeitsvorstellungen oder Ursachen-Wirkungsbeziehungen. Unsere Realität funktioniert jedoch nicht immer logisch, ist nicht immer planbar und ist auf Grund ihrer rekursiven, vernetzten Struktur chaotisch. Wir werden also immer wieder mit den Grenzen der Gültigkeit unserer Paradigmen konfrontiert. Die Fähigkeit dann die inneren Paradigmen zu verändern bedeutet Überlebensfähigkeit und führt zu transformatorische Veränderungen. Diese sind schwierig zu bewältigen, da sie im Grunde immer einen Leben-Tod-Konflikt bedeuten. Daraus resultieren zwei grundsätzliche Reaktionsmöglichkeiten, die Regression im Sinne der Einschränkung von Wahrnehmung und handeln (um die Lebenssituation aufrecht erhalten zu können) oder die Transformation, die die alten Paradigmen auflöst zugunsten neuer grundlegend anderer Orientierungen, die völlig neue Wahrnehmung oder neues Handeln zulassen. Ein solcher Wechsel auf technischer Ebene hat sich z.B. bei dem Wechsel von Rechenschieber zum Taschenrechner vollzogen oder tritt auf, wenn wir von einem mechanistischen Weltbild aus zu einen holistischen Weltbild Zugang erhalten. Eine transformatorische Veränderung ist dann in guter Weise gelungen, wenn das Alte in angemessener Weise in das Neue integriert ist. Zum Beispiel, wenn wir beim Rechner die Fähigkeit Überschläge und Größenordnungen zu bestimmen, was ja beim Rechenschieber notwendig war, auch zur Kontrolle der Ergebnisse des Rechners einsetzen oder wenn wir die angemessene Negation der Eltern in der Pubertät zugunsten einer angemessenen Integration in die erwachsene Lebensrealität vollzogen haben.
Management impliziert eine gewisse Freizügigkeit. Ich möchte dies Freizügigkeit in soweit einschränken, daß aus ethischen Gesichtspunkten und auf Grund der Zielformulierung Regression oder Einschränkung von Fähigkeiten nicht in das Handlungsspektrum gehört. Diese Funktionen führen beim Individuum oder im Unternehmen zu eher abgeschlossenen Systemen, deren Entwicklung weitgehend auf das Altern beschränkt ist. Die Erweiterung von Fähigkeiten im translatorischen Sinn und vor allem transformatorische Veränderungen sind Kennzeichen offener Systeme, die wachsen können.
Nun aber zum Gegenstand unserer Betrachtung, der Persönlichkeit. Entscheidend dabei ist die Entwicklungsabhängigkeit der Persönlichkeit. Sie leuchtet uns ein wenn wir dem Betrachtungsraum vom Kleinkind bis zum Alter ausdehnen. Betrachten wir nur das Erwachsenenalter, so können wir zu mindestens beobachten, daß wir hier etwas zaghafter mit dem Thema Entwicklung umgehen. Dies ist sinnvoll und notwendig, da wir als Erwachsene funktionieren sollen und Veränderung immer mit Desorientierung und Unsicherheit verknüpft ist. Dysfunktionalität, Stress oder Leiden sind die Anzeichen, die auf die Notwendigkeit einer Entwicklung oder Veränderung hinweisen. Alle folgenden Eigenschaften oder Fähigkeiten sind in diesem Sinne stark entwicklungs- und erfahrungsabhängig.
Basis und Grundlage der Persönlichkeit ist für mich die Wahrnehmung, die Fähigkeit zum einen das Außen und zum andern die inneren Reaktionen (Resonanzen) ganzheitlich wahrzunehmen. Die Einschränkung durch unsere Sinne, die Kultur in die wir hinein geboren wurden und die individuelle Lebensgeschichte mit ihren spezifischen Prägungen sind die Filter, über die wir nach außen und innen wahrnehmen. Nehmen wir zu diesen Wahrnehmungsgrundlage die Handlungsoptionen hinzu entsteht ein Beziehungsgeflecht, im Sinne von Bewältigungsstrategien, zwischen den äußeren Reizen und eben diesen Handlungsoptionen. Orientierung für diese Bewältigungsstrategien können z.B. Beziehung, Macht, Selbstverwirklichung oder existentielle Sinnfragen sein. Bestandteil dieser Strategien ist die Logik im Sinne der Interpretation der Realität um Erkenntnisse zu gewinnen. Deren Entwicklung erstreckt sich von der repräsentativen, über die formal-abstrakte Logik bis zur überschauenden Logik oder dem systemischen Denken. Subjektiv werden wir diese Bewältigungsstrategien, wenn sie überhaupt bewußt werden, als Bedürfnisse erleben, die sich von körperlich/materiellen Bedürfnissen über Sicherheitsbedürfnisse, Bedürfnis nach Kontakt, Bedürfnis nach Bestätigung sich bis zum Bedürfnis nach Selbsterfüllung entwickeln. Zudem werden sich entsprechend unserer Lebenssituation unsere Werte, aber auch unsere Spiritualität entwickeln. Das Bindeglied zwischen der Innenschau und der Außenschau dieser Entwicklungsbetrachtungen ist die Entwicklung der Autonomie. Sie erstreckt sich von der Abhängigkeit, über die Gegenabhängigkeit, die Unabhängigkeit, die wechselseitige Abhängigkeit bis hin zur Verfügbarkeit von Beziehungen.
Die Stufen der hier beschriebenen Entwicklung von Bereichen oder Anteilen der Persönlichkeit stellen transformatorische Entwicklungsschritte dar. Sie eröffnen mit jeder Stufe neue Freiheitsgrade, auch für translatorische Veränderungen, und integrieren, wenn der Entwicklungsschritt in guter Weise abgeschlossen ist, die Fähigkeiten und Freiheitsgrabe vorheriger Stufen. Auch sind die hier beschriebenen Entwicklungen potentiell offene Entwicklungen, da wir nicht davon ausgehen können, daß sich keine weiteren Entwicklungsstufen bilden können, nur weil wir heute keine anderen kennen. Auch werden wir diesen Entwicklungen als Lebensthema folgen, aber auch in der Ausbildung, im Beruf, in der Beziehung oder in der Freizeit immer wieder begegnen. Von außen beobachtbar, vor allem durch andere, sind die resultierenden Handlungen und Ergebnisse. Diese sind mit zunehmender Entwicklung weniger konkret planbar, vorhersehbar oder bestimmbar. Zielausrichtung und Fokussierung braucht dann andere Werkzeuge und Methoden. Als Mitarbeiter kommt vor allem die Mitverantwortung ins Blickfeld, als Vorgesetzter die Fähigkeit Unplanbarkeit zulassen zu können, als Schüler/Student die Lernautonomie, als Lehrer die Gestaltung des Lernprozesses und Coaching des Lernenden. Dieses Beispiel zeigt auch, daß eine Entwicklung, wenn sie stabil sein soll, immer auch eine Adaption des Umfeldes voraussetzt.
Wenn die oben beschriebenen Persönlichkeitsanteile sich so entwickeln, also mit fortschreitender Entwicklung höhere Freiheitsgrade erschließen, sollten wir entsprechend dem oben genannten Ziel nicht von Persönlichkeitsmanagement sondern von Persönlichkeitsentwicklung sprechen.